Man hatte im Vorfeld schon häufiger etwas von der Everest VR Experience gehört, so wurde die Demo zum Beispiel bereits auf diversen HTC Vive Events gezeigt und davon berichtet. Nun ist die Experience endlich für jedermann auf Steam erhältlich, doch der Preis von über 20€ schreckt viele Anwender ab. In diesem Artikel erfahrt ihr, wie ich meinen Weg zum Gipfel erlebt habe und ob sich die >20€ vielleicht doch lohnen.


Nachdem die ersten Bilder von der Everest VR Experience aufgetaucht sind war ich, wie viele andere, geyhped! Auch die offiziellen Berichte waren eigentlich durchweg positiv und die Experience gewann sogar den Titel „Best VR Experience der CES 2016“. Mein persönlicher Hype-Train crashte ehrlicherweise als ich das Preisschild sah und die ersten Steam Reviews abgewartet hatte: Insgesamt sind die Reviews „Ausgeglichen“, was nichts gutes andeutete. Normalerweise kaufe ich alle Spiele und frage keine Review Version an, wenn mich die Anwendung auch persönlich interessiert und ich denke, dass sie das Geld wert ist. Nachdem die Reviews aber nur „Mixed“ waren, habe ich zunächst eine Review Version angefragt, da mich der Titel eher nur noch journalistisch interessierte: Sind die Reviews gerechtfertigt und war der Hype völlig umsonst? Die Version wurde mir also zur Verfügung gestellt.

Meine Erwartungen

Um nicht zu voreingenommen zu sein habe ich mir vor dem Test keine konkreten Reviews durchgelesen. Ich erhoffte, dass ich ein gutes Feeling dafür bekomme wie sich eine Everest Expedition anfühlt sowie, dass die Anwendung es schafft, mir beim Anblick eines Abgrundes ein wenig weiche Beine zu bescheren und dass die gesamte Experience sehr immersiv sein wird. Gleichzeitig habe ich aber eine für VR-Neulinge optimierte Erfahrung erwartet, welche kein Spiel ist, sondern eine Erfahrung mit limitierter Interaktion. Aufgrund des hohen Weiss-Anteils im Bild habe ich zudem ein gut sichtbares Pixelmuster erwartet.

Der Aufstieg beginnt


Gut die Hälfte der Erfahrung machen passive
Abschnitte wie dieser aus.

Das Spiel beginnt mit einem Tutorial, welches einem alle Bewegungen und Objekte erklärt, mit denen man später zu tun haben wird. Dann geht es los: Jedes der fünf Level beginnt mit einem Einspieler, welcher dem Anwender in einer Vogelperspektive einen Überblick über die Umgebung gibt. Eine Off-Stimme erzählt dann jeweils einige Fakten über den kommenden oder den übersprungenen Abschnitt. Nach der Einführung erfolgt ein aktiver Abschnitt, bei dem man entweder einen Eindruck in das Lagerleben oder in unterschiedliche Kletter Passagen bekommen kann. Die Qualität der Anwendung ist sehr hoch: Die Stimmen der Begleiter, das brechen von Eis und die Schritte im Schnee fügen sich sehr gut ein und wirken sehr realistisch. Das Atmen der virtuellen Figur hat sich so gut eingefügt, dass ich sie erst beim Betrachten der Aufzeichnung wirklich wahrgenommen habe – unter der Brille war es mein Atmen, dass ich dort hörte. Die aktiven Elemente sind für VR-Neulinge sicherlich ein besonderes Erlebnis.  Besonders beim ersten Mal empfand ich aber auch den Flug über das Gebirge sehr eindrucksvoll. Bei den darauf folgenden Abschnitten waren die Informationen zwar ebenfalls interessant, jedoch störten die Flüge meinen Eindruck, dass ich ein Bergsteiger sei der nun den Everest erklimmt.

Hier liegt wahrscheinlich auch ein essentielles Problem mit dieser Erfahrung: Sie will dem Anwender nicht durchgehend das Gefühl geben, er sei ein Bergsteiger, der den höchsten Berg der Welt erklimmt. Sie ist mehr eine Dokumentation über den Berg und ihre Beisteiger, verstärkt durch ein paar einfache Erfahrungen welche beispielhaft dafür stehen, was ein Mount Everest Bezwinger erlebt. Der Flug und die Informationen am Anfang jedes Levels sind also kleine Einleitungen in die zu kurzen „aktiven“ Abschnitte der Erfahrung, sie sind mindestens gleichwertige Abschnitte der Everest VR Erfahrung. Dies hatte ich mir, wie viele andere Anwender wohl auch, anders vorgestellt. Ich hatte gehofft, ich erlebe viele der Dinge, die in den Off-Texten erwähnt wurden, am eigenen virtuellen Leib. Unwetter, drohende Lawinen, physische wie psychische Erschöpfung von Teammitgliedern etc. Doch leider Nein: Everest VR lässt den Anwender eine sehr freundliche und fröhliche Version eines Everest Aufstieges erleben. Bei einem nicht weiter thematisierten Unwetter verkriecht man sich fix in sein Zelt und stürmt den Gipfel problemlos am nächsten Tag.

Der Gipfel  ist erklommen und was bleibt davon?

Während ihr die Antwort auf diese Frage am besten selbst in der Everst VR Erfahrung erlebt, werde ich nun zu meinem Fazit kommen. Vergleiche ich meine Erwartungen mit dem was ich erlebt habe, stelle ich fest dass meine Hoffnungen zwar alle nicht erfüllt wurden, meine Erwartungen jedoch voll. Die Anwendung ist sehr gut für VR-Neulinge geeignet und erwartet nur recht wenig vom Anwender. Englisch Kenntnisse sind empfehlenswert. Besonders in den Flug-Szenen, fällt das feine Pixelmuster der Vive, wie erwartet, stark auf, in den aktiven Passagen fällt es leichter das Muster auszublenden. In den beiden Kletter-Abschnitten hat die Anwendung es geschafft meine Abenteuerlust zu wecken, jedoch hat sich meine (nicht ganz so starke) Höhenangst, trotz der gefährlichen virtuellen Situation, nicht bemerkbar gemacht (beim Fliegen über die Berge zu Beginn der Abschnitte schon eher). Teilweise fühlt sich die Everest VR Experience an, als ob sie ursprünglich größer geplant war. Das Tutorial zum Beispiel erklärt viele Bedienelemente die nur ein einziges mal in der Anwendung vorkommen, hier hätte man die Anleitung auch in das aktuelle geschehen mit einbauen können. Zu klein sollte die PlayArea für diese Erfahrung auch nicht sein: Zwar bietet die Anwendung Teleport Locomotion und nutzt das Chaperone sehr intelligent aus, meine Einschätzung nach sollte man am schon mindestens 3 x 2.5m haben.

Beim Schreiben des Artikels stellte sich mir die Frage „Was ist die Everest VR Experience?“. Sie ist genau das, wofür sie ursprünglich entworfen wurde und nicht was uns in der Steam Beschreibung verkauft wird: Eine ca 30 kurze minütige Erfahrung, welche einen kleinen Einblick in eine echte Everest Expedition gibt und den Fokus nicht auf Spielen oder Klettern legt, sondern auf Immersion. Eine „reale“ und „emotional atemberaubende“ Everest Erfahrung, wie in der Steam Beschreibung verkauft, war es für mich nicht. Die Erfahrung wurde meinem Gefühl nach als Demo konzipiert, welche man als eine von mehreren seinen Freunden zeigt, wenn sie mal zu Besuch kommen. Wenn man jemanden ohne VR Erfahrung zeigen möchte, was die Möglichkeiten sind, ist sie wahrscheinlich genau richtig. Für Events und Meetups ist die Experience ein wenig lang. Wählt man jedoch einzelne passende Abschnitte aus, könnte Everest VR auch hier Verwendung finden.

Zieht man dies in Betracht ist der Preis für Leute, die hin und wieder VR-Demos machen, meiner Ansicht nach gerechtfertigt. Denn als kurze Erfahrung, welche die Möglichkeiten von VR zeigt, ist sie ideal. Wem es aber nur darum geht die Everest VR Experience mal zu erleben, der sollte sie sich lieber von Jemanden, der sie bereits besitzt, eine Demo geben lassen. Everest VR ist gut, aber nicht das was viele Erwartet haben und den Preis von über 20€ für einmaliges Spielen, meiner Meinung nach leider nicht Wert.

Abschließend noch mein Tipp für die Erfahrung: Genießt jeden Schritt und schaut euch viel um. Rennt nicht durch die Abschnitte durch, es geht nicht darum es zu schaffen, es geht darum es zu erleben. Man kann in dieser Demo viele Details verpassen, teilweise bemerkt man sie auch erst beim zweiten Mal. Einen wirklichen Wiederspielwert ergibt sich dadurch jedoch nicht wirklich, also genießt euren ersten Durchlauf!

Tagged: , , , , ,

Geschrieben von Daniel Korgel

Ich bin Daniel Korgel und bin ein selbständiger Software Entwickler im Bereich Virtual Reality. Ich programmiere in meiner Freizeit schon sehr lange und bin gut unterwegs mit C# (& .Net), Java, HTML, PHP und MYSQL. Kenntnisse in C, C++ und Assembler sind aber auch vorhanden. Zudem arbeite ich derzeit auch an meinem Bachelor. In meiner Freizeit sammle ich alte Spielekonsolen und bin auch hin und wieder im Skatepark anzutreffen. Twitter: @DakorVR , @Bloculus_de| Xing: xing.com/profiles/Daniel_Korgel

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert